Dienstag, 1. Dezember 2009

Was bisher geschah...

War das ein Wintertag! Der Schnee wirbelte in grossen Flocken vom Himmel herunter und der Wind rüttelte an den Häusern, als wolle er sie umblasen. Jonas stand im fünften Stock am Fenster und schaute auf die Strasse hinunter.

Ein Lastwagen stand quer, und schon staute sich eine Kolonne von Autos hinter ihm, die vergeblich hupten, denn der Wagen kam nicht mehr vom Fleck. Jonas freute sich, denn er hatte gern, wenn die Dinge nicht so liefen wie gewöhnlich.


Auf einmal klingelte es an der Wohnungstür. Da Jonas allein zu Hause war, guckte er zuerst durch den Türspion hinaus, wie ihm das seine Eltern immer eingeschärft hatten. Aber er sah niemanden vor der Tür.


Als es nochmals klingelte, machte er die Tür einfach auf und ein Hund stand davor. Jonas wunderte sich.
"Hallo", sagte er, "willst du hereinkommen?"
Aber der Hund winselte nur und zeigte mit dem Kopf zum Treppenhaus.

"Warte", sagte Jonas, "ich komme". Er zog seine Windjacke und seine Winterstiefel an, setzte die Wollkappe auf, steckte seine Handschuhe ein und schrieb für seine Eltern einen Zettel "Bin mit dem Hund raus". Dann schloss er die Wohnungstür ab und ging hinter dem Hund her die Treppen hinunter.

"Wo gehst denn du hin?" fragte der Hausmeister, der den Schnee vor dem Hauseingang wegschaufelte.
"Ich gehe mit dem Hund raus!" rief Jonas und rannte hinter dem Hund her, der ziemlich schnell um die Ecke bog. "Nanu", dachte der Hausmeister, "bei uns sind doch gar keine Hunde erlaubt."

Der Hund schien genau zu wissen, wo er hin wollte.
Er ging zur Schlaufe der Busendstation, lief von da an ein Stück der Strasse nach, dann am Einkaufszentrum vorbei zum Fluss hinunter, dann über den Flussuferweg, bis er unter einer Brücke ankam.

Dort stieg er den kleinen Abhang hinauf, stand dann still und bellte Jonas zu. Der kletterte ihm nach, rutschte im Schnee immer wieder aus, und dann war er direkt unter dem Brückenbogen. Jetzt sah er, was ihm der Hund zeigen wollte.

In einem Nest aus Zweigen, Lumpen und Plastiktüten lag eine Hundemutter mit fünf kleinen Hunden.
"Oh", rief Jonas, "passt auf, dass ihr nicht erfriert!" Der Hund und die Hundemutter schauten ihn an, als ob sie ihn fragen wollten, wie es weiter gehen solle.

Jonas hatte einen Einkaufswagen gesehen, den jemand den Hang hinuntergeworfen haben musste. Er kroch zu ihm hin, schleifte ihn auf den Fussweg, polsterte ihn dort mit einer alten Zeitung aus, die unter dem Brückenbogen lag, und sagte zu dem Hund: "Jetzt kannst du mir die Jungen bringen."

Der Hund bellte der Hundemutter etwas ins Ohr, und die trug nun ein Junges nach dem andern in der Schnauze zum Einkaufswagen hinunter, und Jonas bettete eins nach dem andern sorgfältig in sein Zeitungsnest.

Dann begann er den Wagen vor sich her zu stossen, und er musste sich Mühe geben, dass er nicht stecken blieb, denn es schneite ununterbrochen.
Inzwischen war es Abend geworden, und die Eltern von Jonas kamen nach Hause und lasen den Zettel.


"Was für ein Hund?" fragte der Vater, und die Mutter ging zum Hauswart und fragte ihn, ob er Jonas gesehen habe. Der erzählte ihr, wie Jonas hinter einem Hund her auf die Strasse und dann um die Ecke gegangen sei. "Sie wissen aber, Frau Keller, dass Haustiere eigentlich verboten sind."

Nun machten sich die Mutter und der Vater auf, um Jonas zu suchen, aber der Schnee hatte längst alle Spuren verwischt, und niemand, den sie fragten, hatte ein Kind mit einem Hund gesehen. "Siehst du", sagte die Mutter, "Jonas hat sich immer einen Hund gewünscht, und jetzt muss er einen gefunden haben."

"Du weisst, dass Haustiere bei uns verboten sind", sagte der Vater.
Sie gingen zurück und fragten alle andern Familien im Haus nach Jonas, doch niemand hatte ihn gesehen.


Jonas aber kämpfte sich im Dunkeln mit einem Einkaufswagen durch den Schnee und wusste nicht mehr, wo er war. Er war auf einem Pfad vom Fluss weggegangen und hatte sich auf dem freien Feld verirrt. Und das Schlimmste: der Hund und die Hundemutter waren davongelaufen.

Jonas war hungrig und fror, und die fünf kleinen Hunde winselten und jaulten. "Bald gibt's zu essen", sagte er zu ihnen, aber er wusste nicht, woher er Futter nehmen sollte.



Die Eltern hatten inzwischen der Polizei gemeldet, dass Jonas verschwunden war, und man begann ihn zu suchen. Bei diesem Wetter war aber kaum jemand draussen gewesen, und so wussten sie gar nicht, wo sie suchen mussten.


Als ihn ein Lastwagenfahrer morgens um vier Uhr unter einer Rampe des Shopping Centers fand, lag er im Einkaufswagen, zusammen mit den fünf jungen Hunden.
Eine Stunde später wachte das ganze Haus auf, als Jonas mit seinen winselnden Begleitern da stand.

Die Eltern waren überglücklich, und Jonas musste ihnen erzählen, wie alles gekommen war und wie er dank den fünf jungen Hunden nicht erfroren war. "Was machen wir jetzt mit denen? Wem gehören sie überhaupt?" fragten Mutter und Vater.

"Die gehören uns", sagte Jonas, "ihre Eltern hatten sicher Angst, dass man sie umbringt, und darum haben sie mich geholt." "Wir können doch nicht fünf Hunde haben", sagte der Vater. "Warum nicht?" fragte Jonas, unser Haus hat doch fünf Stöcke. Macht für jeden Stock einen."

Und so gingen sie von Stock zu Stock, und niemand brachte es übers Herz, einen jungen Hund abzulehnen, nicht einmal der Hausmeister. Vor allem seine Frau hatte sich sofort in den kleinsten der fünf verliebt und sagte klipp und klar, wenn der nicht bei ihr bleiben dürfe, bleibe sie auch nicht hier.

Und so schaut heute in diesem Haus in jedem Stock ein Hund zum Fenster hinaus. Sie sind sehr lieb, die Hunde, bellen nur, wenn es sein muss, und machen ihren Familien viel Freude.

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